Transkriptionssoftware in der Hauptverhandlung – effektives Hilfsmittel oder strafbare Handlung?

Moderne Technik vor dem Richterstuhl: Ein umstrittenes Hilfsmittel

Die Dokumentation von Hauptverhandlungen ist ein zentraler Aspekt der Strafverteidigung. In einer Zeit zunehmender Digitalisierung stellt sich die Frage, ob Transkriptionssoftware – insbesondere KI-gestützte Programme – zulässig und rechtssicher eingesetzt werden kann. Gerade Verteidiger sehen hierin ein wertvolles Instrument zur effizienten Protokollierung und zur Vorbereitung von Revisionsrügen. Doch der Einsatz dieser Technik ist rechtlich umstritten.

Während klassische Mitschriften durch Verteidiger seit jeher zulässig sind, stößt die Verwendung digitaler Hilfsmittel wie automatisierter Transkriptionssoftware auf rechtliches Neuland. Ihre Vorteile liegen auf der Hand: schnelle, vollständige und präzise Dokumentation des gesprochenen Wortes. Doch was technisch längst möglich ist, wirft zahlreiche straf-, datenschutz- und verfahrensrechtliche Fragen auf, die derzeit heftig diskutiert werden.

Funktionsweise und Varianten von Transkriptionssoftware

Transkriptionssoftware dient der Umwandlung gesprochener Sprache in Text. Dabei unterscheidet man zwischen nicht-automatisierter Software – vergleichbar mit einem digitalen Diktiergerät – und KI-gestützten Anwendungen, die Sprache direkt in Schrift umwandeln. Letztere gibt es in zwei Varianten: mit dauerhafter Speicherung der Tonaufnahme und mit nur temporärer Zwischenspeicherung zur Texterstellung. Beide Varianten werfen juristische Fragen auf – besonders, wenn sie heimlich in der Verhandlung genutzt werden.

Die dauerhafte Speicherung von Audiofragmenten birgt das Risiko des Missbrauchs, der unautorisierten Verbreitung und einer nachhaltigen Verletzung des Persönlichkeitsrechts beteiligter Personen. Die rein temporäre Verarbeitung ohne Speicherung hingegen wird als weniger problematisch angesehen, da hier nur eine schriftliche Mitschrift erstellt wird – funktional nicht anders als ein handschriftliches Protokoll.

Strafbarkeit nach § 201 StGB: Wann wird aus Dokumentation ein Verbrechen?

Der Einsatz von Transkriptionssoftware kann eine Strafbarkeit nach § 201 StGB nach sich ziehen. Entscheidend ist, ob in der Hauptverhandlung „nichtöffentlich gesprochenes Wort“ aufgenommen wird. In öffentlichen Verhandlungen spricht vieles dagegen, diesen Tatbestand zu erfüllen. Anders sieht es bei Jugendverfahren oder Ausschluss der Öffentlichkeit aus. Hier kann bereits das Aufzeichnen eines Satzes durch eine App eine strafbare Handlung darstellen – sofern die Audiodatei gespeichert wird. Wer hingegen eine Software nutzt, die den Ton nur verarbeitet, ohne dauerhaft zu speichern, bewegt sich nach herrschender Meinung nicht im strafbaren Bereich.

Es stellt sich zudem die Frage, ob die reine Nutzung von Transkriptionssoftware, ohne Verbreitung oder Weitergabe der Ergebnisse, das geschützte Rechtsgut überhaupt berührt. Denn § 201 StGB schützt die Vertraulichkeit flüchtiger Kommunikation – nicht jedoch deren schriftliche Reproduktion. Ein Mensch, der mitschreibt, begeht keine Straftat. Warum sollte es bei einer Software anders sein, wenn kein akustisch wiedergebbarer Tonträger erzeugt wird?

Datenschutzrechtliche Hürden: DSGVO und die Hauptverhandlung

Auch datenschutzrechtlich ist Vorsicht geboten. Personenbezogene Daten von Angeklagten, Zeugen oder Sachverständigen könnten erfasst werden. Allerdings sehen die Datenschutzvorgaben auch Spielräume: Ein Verteidiger darf Daten verarbeiten, wenn dies zur Wahrung berechtigter Interessen erforderlich ist und keine überwiegenden Rechte anderer entgegenstehen. Voraussetzung ist stets, dass keine dauerhafte Speicherung der Audiodatei erfolgt und keine Weitergabe an Dritte stattfindet.

Verteidiger wie auch Staatsanwälte haben ein berechtigtes Interesse, den Verlauf der Verhandlung vollständig dokumentieren zu können – etwa zur Wahrnehmung prozessualer Rechte, zur Aufarbeitung von Zeugenaussagen oder zur Vorbereitung auf spätere Rechtsmittel. Der Schutz der übrigen Beteiligten wird hierdurch nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt, sofern die Daten nicht verbreitet oder zu anderen Zwecken verwendet werden.

Sitzungsleitung und Verbot durch das Gericht

Unabhängig von straf- oder datenschutzrechtlichen Aspekten kann der Vorsitzende das Verwenden von Transkriptionssoftware untersagen. Dies fällt unter seine Sachleitungsbefugnis nach § 238 Abs. 2 StPO. Doch nicht jede Untersagung ist rechtmäßig: Liegt keine Störung des Ablaufs vor und wird keine Tondatei gespeichert, fehlt die Grundlage für eine solche Maßnahme. Die rein interne Nutzung zur Anfertigung von Notizen ist nach Auffassung vieler Stimmen erlaubt.

Zwar hat der Vorsitzende weitreichende Befugnisse zur Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung (§ 176 GVG), doch muss jede Maßnahme verhältnismäßig und geeignet sein. Das pauschale Verbot eines digitalen Hilfsmittels, das geräuschlos arbeitet und keine Sitzungsteilnehmer stört, erscheint vielfach unbegründet. Verteidiger haben ein berechtigtes Interesse an einer möglichst lückenlosen Dokumentation – dies muss gegen etwaige Risiken sorgfältig abgewogen werden.

Rechtspolitischer Ausblick: Gesetzesänderung in Sicht

Ein aktueller Gesetzentwurf sieht vor, Hauptverhandlungen in Zukunft amtlich aufzuzeichnen. Diese Tonaufnahmen könnten dann als Grundlage für gerichtliche Transkripte dienen. Damit würde der Bedarf für eigene Mitschriften durch Verteidiger sinken. Bis dahin bleibt es aber bei der alten Rechtslage – und damit bei Unsicherheiten für die Praxis.

Die geplante audiovisuelle Dokumentation durch das Gericht selbst würde nicht nur Transparenz und Revisionssicherheit erhöhen, sondern auch die Gleichbehandlung aller Verfahrensbeteiligten stärken. Es ist jedoch nicht absehbar, wann und in welchem Umfang diese Reform tatsächlich umgesetzt wird. Bis dahin bleibt es Verteidigern überlassen, unter Beachtung der geltenden Rechtslage Hilfsmittel wie Transkriptionssoftware gezielt einzusetzen.

Fazit: Chancen für die Verteidigung – mit juristischem Feingefühl nutzen

Der Einsatz von Transkriptionssoftware kann die Arbeit der Verteidigung erheblich erleichtern. Doch er birgt rechtliche Risiken, insbesondere wenn dauerhaft gespeicherte Audiodateien entstehen. Wer solche Technik einsetzt, sollte unbedingt rechtlich abgesichert handeln.

Dr. Maik Bunzel, Fachanwalt für Strafrecht, Verkehrsrecht und zertifizierter Berater für Steuerstrafrecht, ist mit Kanzleien in Cottbus, Berlin und Kiel vertreten und kennt die Schnittstellen zwischen digitaler Technik und Strafverfahrensrecht aus zahlreichen Mandaten. Er berät fundiert zur Zulässigkeit moderner Hilfsmittel und verteidigt konsequent gegen unberechtigte Vorwürfe.

Kontakt

In dringenden Fällen erreichen Sie Rechtsanwalt Dr. Maik Bunzel aus Cottbus rund um die Uhr unter 0151 21 778 788. Die Kanzlei ist telefonisch montags bis freitags von 8.00 Uhr bis 20.00 Uhr unter 0355 49 49 45 50 erreichbar.

Gern können Sie auch das Kontaktformular nutzen. Ihre Nachricht wird werktags in aller Regel binnen weniger Minuten gelesen.

ABSENDEN

powered by mabucon.eu

Kontakt

In dingengenden Fällen erreichen Sie Rechtsanwalt Dr. Maik Bunzel aus Cottbus rund um die Uhr unter 0151 21 778 788. Die Kanzlei ist telefonisch montags bis freitags von 8.00 Uhr bis 20.00 Uhr unter 0355 49 49 455-0 erreichbar.

Gern können Sie auch das Kontaktformular nutzen. Ihre Nachricht wird werktags in aller Regel binnen weniger Minuten gelesen.

ABSENDEN