Wirtschaftsreferenten als Sachverständige im Strafverfahren – eine unterschätzte Gefahr für die Unparteilichkeit?

In komplexen Wirtschaftsstrafverfahren greifen Staatsanwaltschaften zunehmend auf sogenanntes internes Expertenwissen zurück: Wirtschaftsreferenten, die über fundierte wirtschaftliche Ausbildung und Berufserfahrung verfügen, werden nicht nur bei Ermittlungen eingesetzt, sondern auch als Sachverständige im Verfahren bestellt. Was auf den ersten Blick praktikabel erscheinen mag, birgt bei näherem Hinsehen erhebliche Risiken für die Fairness des Verfahrens und die Rechte des Beschuldigten.

Wirtschaftsreferenten sind fester Bestandteil der Organisation der Staatsanwaltschaft. Sie arbeiten täglich Seite an Seite mit Staatsanwälten, unterstehen denselben Vorgesetzten und erhalten ihre dienstlichen Beurteilungen durch die Behördenleitung der Staatsanwaltschaft. Auch wenn einige ministerielle Verfügungen, wie etwa in Nordrhein-Westfalen, eine Weisungsfreiheit für den Bereich der Gutachtenerstellung vorsehen, bleibt das Spannungsfeld offenkundig: Kann eine Person, die funktional Teil der Strafverfolgungsbehörde ist, tatsächlich unabhängiger Sachverständiger sein?

Diese Problematik wird umso deutlicher, wenn man sich die alltäglichen Abläufe in der Staatsanwaltschaft vor Augen führt. Wirtschaftsreferenten sind nicht etwa neutrale externe Berater, sondern eng eingebunden in die institutionellen Abläufe der Strafverfolgung. Ihre Expertise wird nicht nur punktuell, sondern regelmäßig in Ermittlungsverfahren genutzt. Sie analysieren wirtschaftliche Zusammenhänge, begleiten Durchsuchungen, werten Datenbestände aus und stehen mit den ermittelnden Staatsanwälten im engen Austausch. Diese Nähe und Vertrautheit mit der Behörde sind kein Geheimnis, sondern Teil der institutionellen Struktur.

Die Rechtsprechung hat diese Konstellation bislang nicht einheitlich bewertet. Der Bundesgerichtshof äußerte sich in unterschiedlichen Senaten und zu unterschiedlichen Zeitpunkten teils widersprüchlich. Der 3. Strafsenat stellte 1963 fest, dass bereits der Anschein einer möglichen Parteilichkeit ausreichend sei, um einen Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Spätere Entscheidungen milderten diese Linie ab, sofern eine eigenverantwortliche und unbeeinflusste Gutachtenerstellung nachgewiesen werden könne. Doch gerade Letzteres ist in der Praxis schwer zu verifizieren.

Hier setzt die berechtigte Kritik vieler Strafverteidiger an: Ein Wirtschaftsreferent, der möglicherweise bereits in der Ermittlungsphase Informationen erhoben, bei Durchsuchungen assistiert oder sogar an Vernehmungen teilgenommen hat, kann schwerlich als neutraler Dritter betrachtet werden. Selbst wenn dies nicht der Fall war, bleibt durch die institutionelle und räumliche Nähe zur Staatsanwaltschaft ein begründeter Verdacht mangelnder Unvoreingenommenheit bestehen.

Auch aus psychologischer Sicht ergeben sich erhebliche Bedenken. Sozialpsychologische Studien belegen den sogenannten Ingroup-Bias: Personen neigen dazu, Mitglieder ihrer eigenen sozialen Gruppe als kompetenter, glaubwürdiger und vertrauenswürdiger einzuschätzen als Außenstehende. Diese Tendenz ist tief im menschlichen Denken verankert und beeinflusst auch unbewusst getroffene Entscheidungen. Wer sich täglich in der Welt der Strafverfolgung bewegt, wird unweigerlich auch deren Denk- und Handlungsmuster internalisieren. Eine tatsächliche Trennung der Rollen – Ermittler einerseits, unabhängiger Sachverständiger andererseits – erscheint unter diesen Bedingungen kaum möglich.

Zudem stellen sich ganz praktische Fragen: Wie sollen Verteidiger eine mögliche Vorbefassung des Wirtschaftsreferenten erkennen? Wie können sie nachweisen, dass dieser etwa bei der Auswertung von Beweismitteln oder der Formulierung von Verdachtsmomenten beteiligt war? Vieles bleibt im Dunkeln, da es sich um interne Abläufe innerhalb der Staatsanwaltschaft handelt. Eine echte Kontrolle durch die Verteidigung ist dadurch massiv erschwert.

Besonders kritisch wird es, wenn der Wirtschaftsreferent Informationen aus der Ermittlungsakte einseitig interpretiert oder seine Stellung innerhalb der Staatsanwaltschaft mit einem erhöhten Autoritätsanspruch verbindet. Nicht selten fließen bei solchen Gutachten auch rechtliche Bewertungen ein, obwohl diese allein dem Gericht vorbehalten sind.

An dieser Stelle ist die Expertise eines versierten Strafverteidigers gefragt, der nicht nur inhaltlich auf Augenhöhe mit dem Sachverständigen agiert, sondern auch die formalen Schwachstellen solcher Gutachten gezielt angreift. Dr. Maik Bunzel, Fachanwalt für Strafrecht, Fachanwalt für Verkehrsrecht sowie zertifizierter Berater für Steuerstrafrecht, bringt die nötige Erfahrung aus mehreren tausend Strafverfahren mit. Mit Kanzleistandorten in Cottbus, Berlin und Kiel verteidigt er bundesweit Beschuldigte, insbesondere auch in komplexen Wirtschaftsstrafsachen.

Ein zentrales Element jeder erfolgreichen Verteidigung ist die genaue Analyse des eingesetzten Sachverständigen. War der Wirtschaftsreferent zuvor an Ermittlungen beteiligt? Ist er durch sein Dienstverhältnis und seine Einbindung in die Staatsanwaltschaft möglicherweise befangen? Gibt es Anhaltspunkte dafür, dass das Gutachten nicht frei von Beeinflussung erstellt wurde? Diese Fragen müssen systematisch geklärt und im Zweifel mit einem Befangenheitsantrag angegriffen werden.

Auch die prozessualen Folgen sind erheblich: Die Bestellung eines befangenen Sachverständigen kann nicht nur das Beweisverfahren beeinflussen, sondern auch Auswirkungen auf die Verjährung oder die Kostenverteilung haben. Gerade in Fällen, in denen hohe fiktive Sachverständigenkosten in Ansatz gebracht werden, obwohl der Referent als Beamter ohnehin keine Vergütung erhält, lohnt sich die kritische Prüfung besonders. Es kann durchaus vorkommen, dass sich die Kosten eines von einem Wirtschaftsreferenten erstellten Gutachtens auf mehrere zehntausend Euro belaufen, die im Falle einer Verurteilung dem Beschuldigten auferlegt werden.

Zu diesen Kosten tritt ein weiteres Risiko: die rechtliche Verfestigung einer möglicherweise einseitigen oder voreingenommenen Beweissituation. Wird das Gutachten eines Wirtschaftsreferenten durch das Gericht als überzeugend bewertet, kann dies zu einer erheblichen Belastung der Verteidigungsposition führen. Die psychologische Autorität eines vermeintlich neutralen Sachverständigen wiegt schwer – insbesondere wenn er als Teil der Justiz wahrgenommen wird.

Auch das Fragerecht der Verteidigung gegenüber dem Sachverständigen wird durch die dienstrechtliche Stellung des Wirtschaftsreferenten faktisch eingeschränkt. Aussagegenehmigungen sind notwendig, dienstliche Verschwiegenheitspflichten begrenzen die Offenheit. So kann es passieren, dass für die Verteidigung zentrale Fragen nicht oder nur unvollständig beantwortet werden. Ein faires Verfahren im Sinne der Strafprozessordnung wird dadurch gefährdet.

Die Rolle des Sachverständigen im Strafprozess ist immens: Er liefert dem Gericht die Grundlagen für wirtschaftliche oder technische Bewertungen, die sich maßgeblich auf das Urteil auswirken. Ist dieser Sachverständige aber selbst Teil der Strafverfolgungsbehörde, ist seine Neutralität bereits aus strukturellen Gründen fragwürdig.

Fazit: Wer sich einem Wirtschaftsstrafverfahren gegenübersieht, in dem ein Wirtschaftsreferent als Sachverständiger auftritt, sollte die Alarmglocken schrillen hören. Hier droht eine massive Verschiebung des prozessualen Gleichgewichts zu Lasten des Beschuldigten. Nur eine engagierte und kenntnisreiche Verteidigung kann diesem Ungleichgewicht wirksam begegnen.

Wenn Sie oder ein Ihnen nahestehender Mensch mit einem solchen Verfahren konfrontiert sind, empfiehlt es sich dringend, frühzeitig anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Dr. Maik Bunzel steht Ihnen mit seiner umfassenden Erfahrung, tiefgreifender Kenntnis des Strafprozessrechts und klarem strategischem Blick zur Seite. Nutzen Sie für eine erste Kontaktaufnahme gerne das Kontaktformular auf strafverteidiger-cottbus.de. Eine frühe Weichenstellung durch kompetente Verteidigung kann entscheidend sein – gerade in Verfahren, in denen Sachverständigengutachten eine tragende Rolle spielen.

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In dringenden Fällen erreichen Sie Rechtsanwalt Dr. Maik Bunzel aus Cottbus rund um die Uhr unter 0151 21 778 788. Die Kanzlei ist telefonisch montags bis freitags von 8.00 Uhr bis 20.00 Uhr unter 0355 49 49 45 50 erreichbar.

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