Pflichtverteidiger nach Auswahl des Gerichts – Qualitätssicherung per Gesetz?

Am 13.12.2019 ist das Gesetz zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung in Kraft getreten. Das Regelwerk setzt zwei EU-Richtlinien – die Richtlinie 2016/1919/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.10.2016 über Prozesskostenhilfe für Verdächtige und beschuldigte Personen in Verfahren sowie für gesuchte Personen in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls und die Richtlinie 2016/800/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.05.2016 über Verfahrensgarantien für Kinder, die Verdächtige oder beschuldigte Personen in Strafverfahren sind – in deutsches Recht um. Ein wesentlicher Bestandteil der Neuregelung sind Änderungen im Zeitpunkt und in den Voraussetzungen dafür, dass ein Beschuldigter einen Pflichtverteidiger erhält. Was ein Pflichtverteidiger ist, kann hier nachgelesen werden.

In diesem Beitrag gibt Rechtsanwalt Dr. Maik Bunzel einige Hinweise für die Praxis. Dr. Bunzel ist Fachanwalt für Strafrecht und zertifizierter Berater für Steuerstrafrecht. Als Strafverteidiger ist er bundesweit tätig. Seine Kanzlei hat Standorte in Berlin und Cottbus, außerdem bestehen mehrere Kooperationen mit Dolmetscherbüros, Anwälten und Steuerberatern in Polen.

Qualität des Pflichtverteidigers? Anwalt immer selbst auswählen!

Im Gesetzgebungsverfahren sollte ausweislich der Entwurfsbegründung sichergestellt werden, dass Qualitätsanforderungen an die Person des Pflichtverteidigers eindeutig gesetzlich festgelegt sind. Ergebnis dieses lobenswerten Ansatzes ist die Regelung in § 142 Abs. 6 StPO:

1 Wird dem Beschuldigten ein Pflichtverteidiger bestellt, den er nicht bezeichnet hat, ist er aus dem Gesamtverzeichnis der Bundesrechtsanwaltskammer (§ 31 der Bundesrechtsanwaltsordnung) auszuwählen. 2 Dabei soll aus den dort eingetragenen Rechtsanwälten entweder ein Fachanwalt für Strafrecht oder ein anderer Rechtsanwalt, der gegenüber der Rechtsanwaltskammer sein Interesse an der Übernahme von Pflichtverteidigungen angezeigt hat und für die Übernahme der Verteidigung geeignet ist, ausgewählt werden.

Es handelt sich hierbei um eine „Soll-Vorschrift“, sodass die Auswahl aus dem Kreis der in Satz 2 genannten Anwälte dem Gericht leider nicht zwingend vorgeschrieben ist. Vereinzelt führt dies noch immer dazu, dass Gerichte Verteidiger aussuchen, die wirtschaftlich auf die Beiordnung als Pflichtverteidiger angewiesen sind und daher in der Regel „keine Schwierigkeiten“ machen. Allerdings hat sich mittlerweile auch aufseiten der Justiz in weiten Teilen herumgesprochen, dass „Verurteilungsbegleiter“ ohne das nötige prozessuale Handwerkszeug – gerade in voraussichtlich umfangreichen und schwierigen Verfahren – nachteilig sein können, weil eine Verhandlungsführung auf Augenhöhe schlichtweg nicht möglich ist. Wie jedoch der im Einzelfall zuständige Richter hierzu eingestellt ist, sollte nicht dem Zufall überlassen werden. Hierzu gleich mehr.

Zweifelhaft ist auch, ob der Personenkreis in § 142 Abs. 6 StPO glücklich gewählt wurde: Während man auf den Fachanwalt für Strafrecht wohl noch abstellen kann – auch unter diesen Kollegen gibt es jedoch gravierende Unterschiede -, ist die Alternative „oder ein anderer Rechtsanwalt, der gegenüber der Rechtsanwaltskammer sein Interesse an der Übernahme von Pflichtverteidigungen angezeigt hat“ misslungen. Denn diese Bereitschaft kann jeder Rechtsanwalt der Kammer gegenüber signalisieren – sei es, weil er schwerpunktmäßig im Strafrecht tätig ist, sei es, weil ihm jede zusätzliche Einkommensquelle willkommen ist. Googelt man die entsprechenden Listen der Anwaltskammern, fällt dem Strafverteidiger auf, dass darin meist hunderte Kollegen aufgeführt sind, von denen nur die wenigsten Fachanwalt für Strafrecht sind und von denen man noch weniger jemals in Strafsachen als Co-Verteidiger vor Gericht angetroffen hat. Wer in der Praxis aber nie verteidigt, ist selten eingeeigneter Pflichtverteidiger.

Diese Rechtslage ist (nicht nur) aus Sicht der Beschuldigten unbefriedigend. Umgehen kann man die Beiordnung eines weniger gut geeigneten Pflichtverteidigers aber dadurch, dass man selbst einen Verteidiger benennt, der als Pflichtverteidiger bestellt werden kann. Hierzu hat ausweislich § 142 Abs. 5 StPO jeder Beschuldigte das Recht:

1 Vor der Bestellung eines Pflichtverteidigers ist dem Beschuldigten Gelegenheit zu geben, innerhalb einer zu bestimmenden Frist einen Verteidiger zu bezeichnen. 2 § 136 Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend. 3 Ein von dem Beschuldigten innerhalb der Frist bezeichneter Verteidiger ist zu bestellen, wenn dem kein wichtiger Grund entgegensteht; ein wichtiger Grund liegt auch vor, wenn der Verteidiger nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung steht.

Wichtig ist, zunächst telefonisch Kontakt zum ausgesuchten Verteidiger aufzunehmen. Denn zu klären ist vorab, ob der Verteidiger aus zeitlichen oder sonstigen Gründen überhaupt in der Lage ist, das Mandat als Pflichtverteidiger zu übernehmen. Rechtsanwalt Dr. Maik Bunzel ist hierfür in der Regel rund um die Uhr telefonisch unter 0151 21 778 788 erreichbar.

Belehrung durch die Polizei: Lieber umfassend und neutral!

Ebenfalls neu geregelt wurde der Zeitpunkt, zu dem ein Beschuldigter einen Pflichtverteidiger bekommt. Teilweise ist dies vom Willen des Beschuldigten abhängig, teilweise hat die Bestellung von Amts wegen zu erfolgen. Polizeibeamten, die hierzu Belehrungen durchführen, ist dringend zu raten, nicht vorschnell abschreckende Worte über vermeintlich hohe Kosten etc. zu verlieren: Fehlerhafte Belehrungen, die dem Betroffenen suggerieren, dass er besser doch keinen Verteidiger haben möchte, können die gesamte Aussage im weiteren Verlauf des Verfahrens unverwertbar machen. Dennoch lautet eine Belehrung der Polizei oft wie folgt: „Sie haben das Recht auf einen Pflichtverteidiger. Beachten Sie aber, dass hierfür Kosten entstehen und dass Sie diese Kosten, sollten Sie verurteilt werden, selbst tragen müssen. Wenn der Anwalt jetzt hierher kommt, fallen Fahrtkosten, Abwesenheitsgeld und Gebühren an, die Sie sich vielleicht sparen können.“

Hintergrund dieser zweifelhaften Belehrung: Für die Kosten des Pflichtverteidigers kommt zunächst der Staat auf. Wird man jedoch verurteilt, muss man die Gebühren des Pflichtverteidigers als Teil der Verfahrenskosten an die Staatskasse zurückzahlen. Bei der ersten Vernehmung des Beschuldigten ist aber keineswegs gesagt, dass er jemals verurteilt wird. Es gilt die Unschuldsvermutung. Besonders befremdlich wirken deshalb Belehrungen nach dem Motto: „Sie können sich den Anwalt sparen, wenn nichts an den Vorwürfen dran ist. Wenn Sie nichts zu verbergen haben, sagen Sie uns, was geschehen ist, und die Sache ist vielleicht schon vom Tisch.“ Sollte der Polizeibeamte tatsächlich dieser Auffassung sein, dürfte ihm klar sein, dass der Beschuldigte mit den Kosten des Pflichtverteidigers auf keinen Fall zu belasten sein wird. Aber auch abseits derlei Konstellationen gibt es etliche Möglichkeiten der Verfahrensbeendigung ohne Freispruch, in denen der Staat auf den Kosten „sitzen bleibt“, zum Beispiel bei Einstellungen aus Opportunitätsgründen. Darüber hinaus wird in Verfahren gegen Jugendliche (14-17 Jahre alt) immer und in Verfahren gegen Heranwachsende (18-20 Jahre alt) häufig von der Auferlegung von Kosten und Auslagen abgesehen.

Kontakt

In dringenden Fällen erreichen Sie Rechtsanwalt Dr. Maik Bunzel aus Cottbus rund um die Uhr unter 0151 21 778 788. Die Kanzlei ist telefonisch montags bis freitags von 8.00 Uhr bis 20.00 Uhr unter 0355 49 49 455-0 erreichbar.

Gern können Sie auch das Kontaktformular nutzen. Ihre Nachricht wird werktags in aller Regel binnen weniger Minuten gelesen.

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